„Organisation C“ – Oder: Wer ermordete Walther Rathenau?

Lesung mit dem Autor Gunnar Kunz
Nachricht05.12.2017Melanie Kögler
Gunnar Kunz
Gunnar Kunz las in Nehren aus seinem Roman „Organisation C“Reinhold-Maier-Stiftung

Anlässlich des 150. Geburtstages Walther Rathenaus veranstaltete die Reinhold-Maier-Stiftung in Nehren eine Lesung mit dem Autor und Regisseur Gunnar Kunz. Dieser las aus seinem Roman „Organisation C“, der Teil einer Reihe von Kriminalromanen ist, die im Berlin der 20er Jahre und somit vor dem Hintergrund der Weimarer Republik spielen.

Um diesen historischen Hintergrund näher zu beleuchten, gab Jochen Merkle, Geschäftsführer der Reinhold-Maier-Stiftung, eine historische Einführung in die Anfänge der Weimarer Republik und in das Leben Walther Rathenaus, der als liberaler Politiker und Außenminister eine der prägenden Gestalten dieser Zeit war. Merkle skizzierte, dass die Weimarer Republik ein souveräner Staat war und so relativ schnell eine staatsrechtlich ziemlich vorbildliche demokratische Ordnung etablieren konnte, die jedoch bei der ökonomischen Krisenbewältigung durch den Versailler Vertrag belastet wurde. Da die politische Demokratisierung nicht mit gesellschaftlichem Wohlstand einherging, verlor die Demokratie nach 1919 rapide an Rückhalt. „Die antirepublikanische Agitation konnte nach 1918 auch deshalb eine solche Wirkung entfalten, weil sie auf eine hochgradig gespaltene Gesellschaft traf“, analysierte Jochen Merkle. Er betonte, dass aus der Weimarer Zeit in der politischen Bildung weiterhin Lehren zu ziehen seien, da man auch heute eine politische Destabilisierung nicht ausschließen könne, gerade bei einer möglichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Gunnar Kunz las schließlich ausgewählte Stellen aus seinem Roman „Organisation C“, der im Jahr 1922 spielt. Der Band steht vor dem Hintergrund der zunehmenden Geldentwertung und politischer Attentate, die das Land erschütterten. Im Roman muss der Protagonist, Kommissar Gregor Lilienthal, einen Mörder finden, der der berüchtigten Organisation Consul angehört – einer rechtsradikale Vereinigung ehemaliger Freikorpssoldaten, die die noch junge Republik durch Terror bekämpften. Auf deren Abschussliste steht als nächster Walther Rathenau. Im Buch versuchen die Hauptfiguren, die Verschwörung aufzudecken und so dem geplanten Anschlag zuvorzukommen.

Kunz betonte, dass ihn die Entwicklung seiner Figuren vor dem historischen Hintergrund besonders reize. Ihm sei zudem die Authentizität der realen Personen wie Rathenau sehr wichtig gewesen. Zwar sei offensichtlich, dass die Gespräche mit den fiktiven Figuren im Buch erfunden seien, jedoch stellten Überlieferungen realer Personen die Grundlage dar. Er achte vor allem darauf, die politische und soziale Lage in seinen Büchern im Blick zu haben und möglichst genau darzustellen, so Kunz.

In der Diskussion wurde festgestellt, dass das Thema Weimar offenbar auch heute noch Aktualität und Relevanz besitzt und auf großes Interesse stößt, wie auch das bis auf den letzten Platz gefüllte Gasthaus Schwanen bewies. Christopher Gohl, Politikwissenschaftler am Tübinger Weltethos-Institut und Mitglied des Verwaltungsrats der Reinhold-Maier-Stiftung, stellte die Frage in den Raum, was man aus Weimar lernen könne und welche Parallelen sich zur heutigen Zeit ziehen ließen.

Er ging darauf ein, wie wichtig es sei, die Geschichte von innen zu verstehen. In der Schule werde oftmals kein oder kein ausreichendes historisches Bewusstsein vermittelt. In Kunz‘ Büchern dagegen erwache die Weimarer Geschichte zum Leben und ermögliche es letztlich auch, so ein tieferes Verständnis zu erreichen.

Gerade in der heutigen Zeit, in der die Demokratie zunehmend von verschiedenen Seiten in Bedrohung gerate, stelle sich mehr denn je die Frage, was es heiße, ein Bürger und Demokrat zu sein. Unablässig sei dafür die Dialogfähigkeit – etwas, was auch durch Bücher wie die von Gunnar Kunz erreicht werden kann, wie die ausdauernde und vielfältige Diskussion zeigte.