Frauen in die Parlamente

Diskussionen zu Gleichberechtigung und Wahlrecht anlässlich des Weltfrauentags
Nachricht19.03.2018Melanie Kögler
Diskussionsrunde
Die Diskussionsrunde bei unserer Breakfast Debate am WeltfrauentagReinhold-Maier-Stiftung

Mit zwei Veranstaltungen in Stuttgart widmeten wir uns anlässlich des Weltfrauentags dem Thema „Gleichberechtigung und Wahlrecht“ und der Frage, warum Frauen bei politischen Ämtern immer noch unterrepräsentiert sind – und wie sich dem entgegenwirken lässt: spielen eine Quote, eine Änderung des Wahlrechts, Vorbilder oder ganz andere Aspekte dabei die entscheidende Rolle?

Am Vorabend des Weltfrauentages kamen im WeltRaum des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) Prof. Dr. Silke Laskowski, die das „Aktionsbündnis Parité in den Parlamenten“, das eine Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgericht eingelegt hat, vertritt, sowie zwei der wenigen Mandatsträgerinnen im Landtag Baden-Württemberg, Gabriele Reich-Gutjahr (FDP) und Nicole Razavi (CDU), für eine Diskussionsrunde zusammen.

In ihrer Begrüßung ging die Bürgermeisterin Isabel Fezer, zugleich auch stellvertretende Vorsitzende der Reinhold-Maier-Stiftung, auf die vorherrschenden antagonistischen Bewegungen und Strömungen ein: zwar seien einerseits viel Kraft und der Wille, in der Gemeinsamkeit Stärke zu entwickeln, zu erkennen – z.B. durch Bewegungen wie das Pussyhat Project – gleichzeitig aber gebe es nach wie vor Männer, die Frauen in alte Geschlechterrollen drängen wollen oder die wie Trump oder Erdogan als Staatsoberhäupter für alte Strukturen stehen. Für Frauen sei es dadurch schwerer, in Positionen zu kommen, in denen sie Verantwortung übernehmen können. Es sei hier die Aufgabe der Politik, sich damit auseinanderzusetzen und Antworten zu finden, wie die gegenläufigen Strömungen zu tragfähigen Lösungen zusammengeführt werden können.

Silke Laskowski sieht aufgrund der bisher schlechten Perspektive für Frauen und deren Unterrepräsentanz in der Politik die zwingende Notwendigkeit für eine Änderung des Wahlrechts. Sie zeigte auf, dass Baden-Württemberg das einzige Land ohne Wahllisten sei und gleichzeitig den Landtag mit dem geringsten Frauenanteil habe– für sie ein kausaler Zusammenhang: „Wir brauchen gesetzliche Regelungen, die die Parteien dazu verpflichten, in gleichem Maße Frauen wie Männer zu nominieren, damit dann die Wählerinnen und Wähler auch die Chance haben, in gleichem Maße Männer wie Frauen zu wählen – diese Chance haben sie bisher nicht. Es geht um den Abbau von männlichen Privilegien und um die Herstellung von Chancengleichheit.“ Regelungen seien zudem auch für Direktmandate nötig.

Auch bei der Entgeltgleichheit habe man noch einen weiten Weg vor sich: erst im vergangenen Jahr habe es ein entsprechendes Gesetz dazu gegeben. Dieses kritisierte Laskowski zwar, aber hielt fest: „Besser ein schlechtes Gesetz, als gar kein Gesetz“ – schlechte Gesetze könne man immerhin verbessern.

Nicole Razavi sprach sich in der Diskussion explizit gegen eine Änderung des Wahlrechts aus: „Freie Wahl heißt auch freie Aufstellung von Listen.“  Sie sieht in der Lösung des Problems die Frauen selbst und deren Vorbildfunktion: „Wir Frauen, die Parlamentarier sind, müssen mit gutem Vorbild vorangehen. Wir müssen werben für diese wirklich schöne Tätigkeit – sie ist aufregend, sie ist anstrengend, sie ist auch sehr zeitraubend. Das sind Argumente, die für viele Frauen nicht dafür sprechen, ein solches Mandat anzustreben. Aber mit Menschen zu tun zu haben, Politik zu gestalten, sich um Menschen zu kümmern, macht auch viel Freude und ich glaube, wir als Parlamentarier müssen mehr werben für ein solches Mandat und Mut machen, sich innerhalb von Parteien für ein solches Mandat zu bewerben.

Sowohl Nicole Razavi als auch Gabriele Reich-Gutjahr sind dabei Vorbilder, wie der Weg in die Politik trotz des aktuellen Wahlrechts gelingen kann. Beide Politikerinnen waren sich einig, dass vor allem die schwierige Vereinbarkeit vielen Frauen von vornherein eher abhalte, sich aktiv zu engagieren. Hier Möglichkeiten zu finden, hielt auch Gabriele Reich-Gutjahr für entscheidend – und bezweifelte damit zugleich, dass eine Änderung des Wahlrechts der einzig richtige Weg sei.

Bei der Frühstücksveranstaltung am Weltfrauentag diskutierte Silke Laskowski mit der Bundestagsabgeordneten Judith Skudelny darüber, wie Frauen aktiver in der Politik werden können und auch allgemein in Positionen kommen, in denen sie gestalten können. Laskowski betonte hier erneut eine Wahlrechtsreform als entscheidenden Schritt, da für sie ohne diesen alle Bemühungen zum Scheitern verdammt sind.

Judith Skudelny betonte, dass weibliche Vorbilder, die zeigen, dass es geht, wichtig seien, um der unter Frauen immer noch oft vorherrschenden Skepsis ob der Realisierbarkeit entgegenzuwirken. Sie regte an, den Fokus auch einmal verstärkt auf Männer zu richten, diese einzubeziehen – sowohl im individuellen privaten, aber auch im privaten Umfeld, z.B. indem nicht nur Frauen als Gleichstellungsbeauftragte eingestellt und damit verkrustete Strukturen aufgebrochen werden. Die Debatte konsequent und öffentlich zu führen sei hilfreich und wichtig.

Bei Frauen müsse zudem teils noch ein Umdenken einsetzen und sie müssen gerade in der Politik bereit sein, sich zu trauen, aktiv nach Machtpositionen zu greifen – auch mit der Gefahr, sich damit unter Umständen unbeliebt zu machen. Wichtig sei es, nicht zu suggerieren, dass es einfach ist – aber zu ermutigen, dass sich der Weg lohnen kann. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle: nur mit einem entsprechenden Partner sei dies überhaupt möglich.

Die Diskussionen um den Weltfrauentag haben gezeigt, dass zwar in Bezug auf politische Ämter, aber auch allgemein, noch einiges zu tun ist, bis Gleichberechtigung herrscht, es in vielen Bereichen aber Fortschritte gibt, die ermutigen und bestärken, dass wir uns auf einem guten Weg befinden. Der Weltfrauentag bietet dabei die Möglichkeit, entsprechende Themen verstärkt in die Öffentlichkeit zu bringen – die Umsetzung ist jedoch ein Prozess, der nicht auf diesen einen Tag beschränkt werden kann.