Demokratinnen und Demokraten für das Grundgesetz

Erklärung des Landesnetzwerks Politische Bildung Baden-Württemberg zum 23. Mai 2020
Blog20.05.2020
Justitia Grundgesetz
Das Landesnetzwerk Politische Bildung Baden-Württemberg gibt eine gemeinsame Erklärung zum 23. Mai 2020 ab iStock/querbeet

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik fällt der Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes, der 23. Mai, in eine Zeit, in der zentrale Grundrechte zur Eindämmung einer Pandemie eingeschränkt worden sind. Das Landesnetzwerk Politische Bildung Baden-Württemberg nimmt diese außergewöhnliche Situation vor dem 71. Geburtstag des Grundgesetzes an diesem Samstag zum Anlass für eine Erklärung. Diese bekennt sich zu den Grundrechten und wirbt zugleich für eine verantwortungsbewusste Abwägung von Freiheitsrechten einerseits sowie Gesundheits- und Lebensschutz andererseits.
 
Das Bündnis, dem 18 politische, gesellschaftliche und kirchliche Einrichtungen der politischen Bildung in Baden-Württemberg angehören, darunter die Reinhold-Maier-Stiftung, bezieht mit der Erklärung auch Stellung zum aktuellen Protest gegen die derzeitigen Einschränkungen der Grundrechte.
 
Dass sich Bürgerinnen und Bürger auf das Grundgesetz berufen, wird in der gemeinsamen Erklärung hervorgehoben: Das Grundgesetz, Botschaft der Menschenwürde, der Freiheit und Toleranz, „vertraut auf die Vernunft und Verantwortungen von Bürgerinnen und Bürgern, diese Botschaft mit Leben zu füllen“. Es sei aber nicht akzeptabel, dass das Grundgesetz bei Demonstrationen für das Grundgesetz durch Worte und Handlungen mit Füßen getreten werde. „Wer mit extremistischen Kräften Seite an Seite demonstriert, vertieft die Spaltung der Gesellschaft.“
 

Erklärung des Landesnetzwerks Politische Bildung Baden-Württemberg zum 23. Mai 2020

Damals, vor 71 Jahren ...
begründeten die Väter und Mütter des Grundgesetzes unsere demokratische Ordnung. Ihr Verfassungswerk markiert die Abkehr von der nationalsozialistischen Herrschaft, einer Herrschaft der Willkür, des Terrors und der Gewalt. An seinen Anfang setzten sie daher die Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde.

Seit 1949
legt das Grundgesetz mit seinen Grundrechten und anderen Normen eine stabile Basis für unser demokratisches Zusammenleben. Es schützt die Freiheiten der Einzelnen und begründet staatliche Pflichten. Alle Eingriffe in Rechte sind parlamentarischer und gerichtlicher Kontrolle unterworfen.

Heute, 71 Jahre später
erleben wir in Corona-Zeiten schwierige Monate einer in der Geschichte der Bundesrepublik einmaligen Einschränkung von Grundrechten. Wir wissen, wie kompliziert und doch wichtig es ist, diese Freiheiten in verantwortungsbewusster und wissenschaftlich fundierter Auseinandersetzung mit der Pandemie Stück für Stück sicherzustellen.

Weiterhin gilt,
dass das Grundgesetz unser aller Freiheit verbrieft. Aber es setzt die Freiheit des Einzelnen nicht absolut. Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo sie in die Freiheit und Unversehrtheit anderer eingreift. Dieser Freiheitsbegriff fordert zu ständiger Abwägung auf; führt zu parlamentarisch legitimierten Vereinbarungen und Regeln; baut auf Verantwortung und darauf, dass sich alle unter Wahrung der Minderheitenrechte an Mehrheitsentscheidungen halten. Dies ist ein Grundprinzip unserer Demokratie.

Auch jetzt gilt:
Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind durch Grundrechte auf die Würde des Menschen verpflichtet. Deshalb gilt auch während der Pandemie die im Grundgesetz garantierte Versammlungsfreiheit und der Rechtsweg zur gerichtlichen Prüfung der derzeitigen Einschränkung von Freiheitsrechten.

Es ist aber nicht akzeptabel, dass die vermeintliche Verteidigung der Verfassung mit Lüge und Hass ausgetragen wird. Ebenso wenig kann hingenommen werden, dass bei Demonstrationen für das Grundgesetz das Grundgesetz durch Worte und Handlungen mit Füßen getreten wird.

Wer mit extremistischen Kräften Seite an Seite demonstriert, vertieft die Spaltung der Gesellschaft. Wer die Regeln zum Schutz der Gesundheit nicht einhält, gefährdet andere und verhöhnt den Rechtsstaat. Wer Verschwörungsmythen verbreitet, Ressentiments schürt und andere zu Sündenböcken erklärt, hat nicht verstanden, welche Botschaft uns das Grundgesetz vermittelt:

Das Grundgesetz ist eine Botschaft der Menschenwürde, der Freiheit und Toleranz!
Es vertraut auf die Vernunft und Verantwortung von Bürgerinnen und Bürgern, diese Botschaft mit Leben zu füllen!
Bewahren wir den Geist unserer Verfassung!

 

Die Mitgliedsorganisationen im Landesnetzwerk setzen sich für die beständige Stärkung von Demokratie ein. In ihren „Zehn Thesen zur Politischen Bildung in Baden-Württemberg“ (unten als Download zu finden) wird unter anderem die Notwendigkeit der öffentlichen Debatte betont: „Politische Bildung ermöglicht öffentlichen Diskurs zwischen Politik, Wissenschaft und Gesellschaft über die Weiterentwicklung unserer Demokratie und die Gestaltung unseres Gemeinwesens im digitalen Zeitalter.“
 
Das Landesnetzwerk Politische Bildung Baden-Württemberg:
Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Bildungswerk für Kommunalpolitik
DGB-Bildungswerk Baden-Württemberg e. V.
Europa Zentrum Baden-Württemberg
Evangelische Akademie Bad Boll
Friedrich-Ebert-Stiftung Baden-Württemberg
Haus der Geschichte Baden-Württemberg
Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg
Initiative Allianz für Beteiligung e. V.
Internationales Forum Burg Liebenzell e. V.
Konrad-Adenauer-Stiftung (Politisches Bildungsforum Baden-Württemberg)
Landesakademie für Jugendbildung
Landesarbeitsgemeinschaft Offene Jugendbildung Baden-Württemberg e. V. (LAGO)
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg
Pädagogisch-Kulturelles Centrum Ehemalige Synagoge Freudental e. V.
Reinhold-Maier-Stiftung Baden-Württemberg
Studienhaus Wiesneck e. V.
Volkshochschulverband Baden-Württemberg e. V.
Der Erklärung hat sich zudem angeschlossen:
Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus